"Einige behaupten, chirurgische Militärschläge durchzuführen, aber wir wissen, dass die Ungenauigkeit und verheerende Kraft von Explosivwaffen in Wirklichkeit unweigerlich zu Schäden an Zivilist:innen führt. Ein Schlag gegen ein militärisches Ziel, wie zum Beispiel einen Flughafen, kann ein 300 Meter entferntes Wohngebiet beschädigen", erklärt Daniel Suda-Lang, Geschäftsleiter von Handicap International Schweiz.
Daniel Suda-Lang, Geschäftsleiter von Handicap International in der Schweiz, steht für Interviews auf Deutsch und Französisch zur Verfügung.
Ein wiederkehrendes Muster
Die jüngsten Konflikte, die durch den massiven Einsatz von Explosivwaffen in bewohnten Gebieten gekennzeichnet waren - wie in Syrien, Jemen, Irak und in der Ostukraine zwischen 2014 und 2017 und in Berg-Karabach 2020 - zeigen ein wiederkehrendes Muster von verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung.
Wenn Explosivwaffen in bewohnten Gebieten eingesetzt werden, sind 90 % der verletzten und getöteten Menschen Zivilist:innen. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden in der Ukraine bereits mindestens 400 Zivilist:innen getötet oder verletzt, hauptsächlich durch Explosivwaffen, die in bewohnten Gebieten eingesetzt wurden, darunter schwerer Artilleriebeschuss, Mehrfachraketensysteme und Luftangriffe. In Kiew und anderen Städten wie Charkiw verschanzen sich Familien in U-Bahn-Stationen und Kellern, um sich vor Bombenangriffen und Granatenbeschuss zu schützen.
Während der
kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ostukraine zwischen 2014 und 2021 wurden mehr als
14'000 Menschen getötet, darunter fast 3400 Zivilist:innen.
Die Folge von Bombardierungen sind komplexe Verletzungen und psychologische Traumata. Die Bevölkerung wird vertrieben und lebenswichtige Infrastruktur wie Schulen, Spitäler, Brücken, die Stromversorgung und die Versorgung mit Trinkwasser werden zerstört. Explosive Überreste bleiben und bedrohen die Bevölkerung über Jahrzehnte hinweg. Die einzige Lösung besteht darin, den Einsatz von Explosivwaffen in bewohnten Gebieten zu beenden.
Der Einsatz verbotener Waffen
Nach Angaben von Amnesty International wurde am 25. Februar ein Kindergarten in der Stadt Ochtyrka in der Oblast Sumy im Nordosten der Ukraine von Streumunition getroffen. Diese Waffen sind seit 2008 durch den Osloer Vertrag verboten. Beim Angriff wurden drei Menschen getötet, darunter ein Kind. Ein weiteres Kind wurde verletzt. Der Angriff scheint von russischen Streitkräften verübt worden zu sein, die in der Nähe operierten.
Die Ukraine ist bereits stark mit Antipersonenminen verseucht (Waffen, die seit 1997 durch die Ottawa-Konvention verboten sind). Insbesondere der Osten der Ukraine, wo sich die ehemalige Front des 2014 begonnenen Konflikts befindet und 1,6 Millionen Menschen vertrieben wurden, ist stark kontaminiert.
Der Nothilfe-Einsatz von Handicap International
Die Organisation hat eine Erkundungsmission in die Ukraine und in die Nachbarländer Rumänien, Polen und Moldawien entsandt. Sie besteht aus zwei Teams, die in erster Linie den Bedarf an Rehabilitation, psychosozialer Unterstützung, Unterkünften, Lebensmitteln, Wasser und Hygiene ermitteln werden. Sie werden sich auch mit der Frage der Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in die humanitäre Nothilfe und mit der logistischen Unterstützung von humanitären Organisationen befassen.
Handicap International wird sich auf die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen konzentrieren, darunter vertriebene Familien, Flüchtlinge, Frauen, Kinder, Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen - wobei der sehr hohe Anteil von Menschen über 60 Jahren und mit chronischen Krankheiten in der Ukraine zu beachten ist.
Die humanitäre Lage
Fast 8 Millionen Menschen sind vom Konflikt betroffen und 400'000 Menschen sind seit dem Beginn des Krieges letzte Woche aus dem Land geflüchtet, erklärte das UNO- Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) am Sonntag. Die Zahl der Vertriebenen könnte auf bis zu 5 Millionen Menschen ansteigen. Das UNHCR erklärte ausserdem, dass die Hälfte der vor den Kämpfen geflüchteten Menschen nach Polen eingereist oder auf dem Weg dorthin sei, während andere vertriebene Zivilist:innen nach Ungarn, Moldawien und Rumänien aufgebrochen seien.
In Genf symbolisiert der Broken Chair den Kampf gegen Explosivwaffen und die Gewalt, die der Bevölkerung in bewaffneten Konflikten zugefügt wird. Das von Daniel Berset im Auftrag der Organisation geschaffene und vor den Vereinten Nationen installierte Denkmal ist eine Mahnung an die internationale Gemeinschaft. Es erinnert die Staaten an ihre Verpflichtungen zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts und zum Schutz der Zivilbevölkerung vor dem Einsatz von Explosivwaffen in bewohnten Gebieten.
[i] Gemeinsamer Bericht des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten und der Organisation PAX
Pressekontakt:
Pauline Wilhelm
Handicap International Schweiz
Medien- und Kommunikationsbeauftragte
Avenue de la Paix 11 - 1202 Genf
022 710 93 36
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Artikel 'Handicap International - Ukraine: Unvorstellbares Leid durch Bombardierung von W...' auf Swiss-Press.com |
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